Das Baumstamm-Haus im Mühlviertel 02
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Das Baumstamm-Haus im Mühlviertel

Harald Etzlstorfer träumte lang von einem Naturstamm-Haus – und baute es schließlich in seinem Heimatort Kerschbaum. Ein kollektives Abenteuer, das einige Herausforderungen inkludierte.

Ein ungewöhnliches Bild bot sich im Winter 2015/16 so manchem Autofahrer in Kerschbaum/OÖ: Ein Mann entrindete auf einer Baustelle mächtige Holzstämme händisch mit einem Hochdruckreiniger. „Da hat so mancher den Kopf geschüttelt“, erzählt Harald Etzlstorfer, dem das freilich egal war – er lebte seinen Traum: ein Haus aus Naturstämmen zu bauen. 

Der Tat waren einige gute Fügungen sowie zeitraubende Widrigkeiten vorausgegangen. „Und dann kam viel Unterstützung, denn allein kann man so etwas nicht stemmen“, erzählt der gelernte Tischler, der heute in der Voestalpine in Linz tätig ist. Gerry Bürkle, ein Profi in Sachen Naturstamm-Haus, zeigte, „mit welcher Präzision man Baumstämme nur mit Motorsäge, Fräse, Zirkel und etwas Handwerkzeug so bearbeiten und übereinanderlegen kann, dass ein Haus entsteht“. Innenarchitekt Benedikt Elmecker erstellte den Entwurf für die Bauwilligen, im Sommer 2015 konnte es losgehen: Keller, Steinlegungen, Tiefenbohrung für Erdwärme und Erdarbeiten wurden realisiert, bevor im Winter die Bäume geliefert wurden. 

Trockenschrumpfung

Da jeder Stamm in Handarbeit ausgearbeitet wurde, war der Rohbau – samt Schafwolldämmung zwischen den Stämmen – dann Mitte des Jahres fertig. Den Innenausbau fertigte der Tischler selbst. Da die Baumstämme ohne Trocknung, quasi „nass“, verbaut werden, schrumpft das Haus in den ersten Jahren um rund sechs Prozent. „Ich habe auf einen Meter Wandhöhe sechs Zentimeter Setzung, die bei Fenstern, Türen, Zwischenwänden und Installationen beachtet werden muss“, erklärt er die Besonderheit. 

Das Wohn- und Beleuchtungskonzept des 160 m2 großen, unterkellerten Hauses stammt ebenfalls von Elmecker. Wichtig war dem Hausherrn, dass kein „Skihütten“-Charakter zustande kam, sondern ein modernes, entspanntes Wohngefühl. Ein Ofen fehlt natürlich trotzdem nicht: Vom Wohnzimmer aus befeuert, sorgt er in der kalten und nassen Jahreszeit dank Strahlungswärme im ganzen Haus für wohlig-warmes Wohngefühl.
In Vorraum und Badezimmer wurden sandfarbene Keramikplatten verlegt, während sich in den übrigen Räumen geöltes Braunesche-Echtholzparkett findet. Auch Metall als Tisch- und Bankgestell sowie getöntes Glas in Form von Ganzglastüren und Stiegengeländern kamen zum Einsatz. Alle Zwischenwände wurden in Ständerbauweise gebaut und mit Tonplatten beplankt. Diese werden ähnlich wie Gipsplatten verbaut, können aber im Gegensatz zu Gips das Raumklima gut und schnell regulieren. Etzlstorfer: „Der Spiegel im Badezimmer läuft auch nach einer langen, heißen Dusche nicht an.“
Die Küche zeigt eine schwarz-matte Oberfläche und eine große, zwölf Millimeter dicke Keramikplatte als Arbeitsfläche, in die das Kochfeld und das Spülbecken bündig eingelassen wurden. „Das hat sich beim Reinigen als sehr praktisch erwiesen“, sagt Etzlstorfer. 

Lieblingsplatz Sitzfenster

Eine große, abgedunkelte Spiegel-Schiebetüre erzeugt im geschlossenen Zustand den Effekt einer nicht endend wollenden Küche, während sich dahinter ein praktischer Vorratsraum befindet. Das Highlight der Küche ist das Sitzfenster. Der Ausblick und seine zentrale Lage im Haus laden zum kreativen Nichtstun ein: „Der morgendliche Kaffee mit Blick auf den Sonnenaufgang, das kurze Schläfchen nach einem langen Arbeitstag oder das Glas Rotwein, um den Tag Revue passieren zu lassen und Tages- und Weltgeschehnisse zu diskutieren – hier verbringen wir viel Zeit“, erklärt der Hausherr. 

Im Erdgeschoß befinden sich zudem noch Büro, WC und eine Schleuse in die Garage, die als „private“ Garderobe genutzt wird: Hier befinden sich Arbeitskleidung und -schuhe, während die Garderobe im Vorraum schön ordentlich aussehen darf. Im ersten Stock sind zwei Kinderzimmer, WC, Badezimmer mit frei stehender Badewanne und bodenbündiger Dusche untergebracht. Von der großzügigen Galerie gelangt man in den Schrankraum und anschließend ins Schlafzimmer. Davor liegt eine südseitig ausgerichtete Dachterrasse, die im Sommer durch den großen Dachvorsprung beschattet, im Frühling und Herbst durch die tiefer stehende Sonne beschienen wird. 

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