„Den gewerblichen Wohnbau als gleichberechtigt anerkennen“ 09
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„Den gewerblichen Wohnbau als gleichberechtigt anerkennen“

Das duale System aus sozialem und gewerblichem Wohnbau ist ein Erfolgsmodell. Jedoch bevorzugt die Politik den sozialen Pfeiler. Hier gilt es anzusetzen, wie Michael Pisecky im OIZ-Interview betont.

OIZ: Inwiefern betrifft die Krise im Wohnungsneubau Wien?

MICHAEL PISECKY: Massiv. Der Rückgang liegt bei siebzig bis achtzig Prozent. An dieser Stelle muss man erwähnen, dass sich etwa ein Drittel des mehrgeschoßigen Wohnbaus Österreichs in der Bundeshauptstadt befindet. Die Baustellen, die man noch sieht, stehen vor der Fertigstellung. Neubeginne gibt es kaum.

OIZ: Wie sieht es mit den kleineren Baustellen aus?

PISECKY: Das sind es vor allem die Baulücken. Diese können, weil die Kosten zu hoch sind – speziell von den gewerblichen Bauträgern –, kaum mehr umgesetzt werden. Vorschriften wie jene bezüglich der Stellplätze treiben vor allem bei kleinen Grundstücken die Kalkulationen in die Höhe. So kommt es zu Verkaufspreisen, die nicht mehr realisierbar sind. Erleichterungen in den Vorgaben würden diese Lückenverbauungen wieder ermöglichen.

OIZ: Wie sieht es bei den größeren Projekten aus?

PISECKY: Das sind die Wohnprojekte auf der grünen Wiese. Diese Grundstücke sind in Wien besonders teuer, die Baukosten sind auch in diesem Segment gravierend, die Zinsen ohnehin. Gewerbliche Bauträger stehen hier aktuell vor der Herausforderung, überhaupt die erforderlichen Finanzierungen zu erhalten. Denn die Banken verlangen bei teuren Konditionen utopische Vorverwertungsquoten und hohe Sicherheiten. Bei der derzeit steigenden, aber noch immer schwachen Nachfrage braucht es einen Stimmungsumschwung, damit wieder investiert wird.

OIZ: Wie kam es zu dieser Entwicklung?

PISECKY: Hintergrund ist, dass es derzeit sehr wohl Wohnungen im Angebot gibt. Seit knapp zwei Jahren verkaufen nämlich die gewerblichen Bauträger, weil die Nachfrage um die Hälfte einbrach, wenig bis gar nichts. Sie sitzen also einerseits auf fertiggestellten Objekten und können andererseits die Vorwertungsquoten geplanter Projekte nicht erfüllen. Diese Problematik betrifft nicht nur Wien, sondern viele Städte in Österreich.

OIZ: Was löste diesen massiven Einbruch der Nachfrage aus?

PISECKY: Bis zum Sommer 2022 herrschte ein extremer Boom. Es wurde fast alles und um jeden Preis verkauft. Wirtschaftliche und politische Unsicherheiten wie der Krieg in der Ukraine, die damit verbundene Explosion der Energiekosten, die steigenden Zinsen und die hohe Inflation ließen die Nachfrage kollabieren. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete die KIM-Verordnung (KIM-V), die mit dem 1. August 2022 zum unpassendsten Zeitpunkt in Kraft trat. Vier oder fünf Jahre früher wäre passender gewesen und hätte den damaligen Preisauftrieb, der wirklich eklatant war, etwas abgemildert. War erst die Nullzinspolitik die Investoren auch in Immobilien trieb und den Preisaufschwung verstärkte, so sind es nun die hohen Zinsen, die KIM-V und die restriktive Kreditvergabe an Bauträger, die Immobilienwirtschaft, Sanierung und Neubau abwürgt. Ein etwas weitsichtigere Gestaltung der Rahmenbedingungen durch die EZB und FMA wäre wünschenswert.

OIZ: Ad KIM-V: Viele Menschen, die Eigentum erwerben wollten, werden wegen eines Kredits erst gar nicht mehr bei den Banken vorstellig, richtig?

PISECKY: Das ist bedauerlicherweise der Fall. Etliche Stakeholder sowie politische Parteien und Interessensvertretungen erklären uns nämlich permanent, wie schlecht es uns geht. Und was wir uns alles nicht mehr leisten können, weil sich die Preise querbeet verdoppelten. Dass die Preise massiv anzogen, stimmt leider – aber oft auch nicht. Darüber hinaus blenden wir Österreicher aus, dass wir durchschnittlich um zwanzig Prozent brutto mehr verdienen, dass die kalte Progression abgeschafft wurde etc. Die Nettoeinkommen stiegen also ordentlich, sodass sich der Weg zu den Banken wieder lohnt. Viele Finanzierungen werden wieder gewährt. Wir merken das daran, dass wie bereits ausgeführt die Nachfrage nach Eigentumsobjekten langsam zu steigen beginnt. Wie auch schon erwähnt brauchen wir einen Stimmungsumschwung, damit wieder investiert wird.

OIZ: Wird die KIM-V wie geplant Ende Juni 2025 auslaufen?

PISECKY: Die Andeutungen seitens der FMA, die das Regelwerk als Erfolgsmodell feiert, sprechen dagegen. Das, obwohl der zweitgrößte Wirtschaftszweig Österreich, sprich die Immobilienwirtschaft, schwer leidet. Es wird Jahre dauern, den angerichteten Schaden zu beheben. Das Schlimmste ist, dass, wenn jetzt der Neubau nicht Fahrt aufnimmt – und dafür gibt es keinerlei Anzeichen -, viele Fachkräfte der Branche den Rücken kehren. Wenn der Neubau irgendwann tatsächlich wieder in Gang kommt, fehlt das Personal; so wie es sich in der Gastronomie nach der Covid19-Pandemie zeigte. Selbst dann fällt der Neustart also schaumgebremst aus.

OIZ: Was bremst den Neubau darüber hinaus?

PISECKY: Ein Wien-Spezifikum beim Neubau ist die seit Dezember 2023 geltende Bauordnungsnovelle. Aufgrund der Betonung des Stadtbilds und des De-facto-Abrissverbots kommt es zu einem Stillstand in der gebauten Stadt. Wohnraumschaffung in der gebauten Stadt wird so ein Riegel vorgeschoben. Die bestehende Flächenwidmung kann auf Grund der Betonung des Stadtbilds oft nicht mehr ausgenutzt werden. Darüber hinaus stammt die Flächenwidmung aus dem 20. Jahrhundert und fußt auf deiner Bevölkerungszahl von 1,5 Millionen Einwohnen. Derzeit zählen wir über zwei Millionen. Eine Anpassung ist also dringend erforderlich.

In der Konsequenz bedeutet die Bauordnungsnovelle, dass Neubau eigentlich nur auf der grünen Wiese erfolgen kann. Das widerspricht freilich sämtlichen Umweltzielen. Vor allen Dingen muss auf der grünen Wiese die Infrastruktur neu errichtet werden. Das bedachte die Wiener Stadtregierung nicht. Konsequenz daraus ist wiederum, dass – was noch viel bedauerlicher ist – Sanierungen unterbleiben. Denn mit dem Geld, das ein Ausbau lukriert, wird häufig das gesamte Wohngebäude renoviert. Diese Win-win-Situation stagniert, obwohl sie einen geringeren Energieverbrauch und damit einen geringeren CO2-Ausstoß bedingen würde. Es würde Sinn machen, in einem nächsten Schritt das Heizsystem umzurüsten. Eine Maßnahme, die die Stadt Wien derzeit großzügig fördert. Aber all das kommt nicht in Schwung. Die Sanierungsquote bleibt eklatant niedrig, ebenso die Wohnraumschaffung in der gebauten Stadt.

OIZ: Welche Probleme ergeben sich für gewerbliche Wohnbauträger noch?

PISECKY: Das aus sozialem und gewerblichem Wohnbau bestehende duale System in Österreich ist ein Erfolgsmodell. Problematisch ist jedoch, dass die Politik den sozialen Wohnbau bevorzugt. Die Gleichbehandlung der beiden Systeme ist eine Forderung, die wir als Fachverband klar erheben. Die Politik muss die Immobilienwirtschaft als gleichwertigen Partner anerkennen (Anm.: siehe OIZ 7-8/2024, Seiten 12 – 14).

OIZ: Welche Forderungen stellen Sie darüber hinaus?

PISECKY: Um leistbaren Wohnbau zu ermöglichen und sicherzustellen, brauchen wir gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Herstellungskosten senken. Sämtliche Konzepte dafür liegen seit Jahren auf dem Tisch. Das könnte zum Beispiel eine Durchforstung von Normen – etwa der weit überzogenen Sicherheitsbestimmungen oder der Stellplatzverpflichtungen – bei gleichbleibender Qualität sein. So muss bei der Sanierung eines 150 Jahre alten Hauses dieses auf Neubaustandard gebracht werden. Es müssen die Treppengeländer erhöht, die Stiegen verbreitert werden etc. Nicht zu vergessen: Die Genehmigungsverfahren in Wien gehören beschleunigt. Mit Niedersachsen gibt es ein Bundesland in Deutschland, in dem all das seit der am 1. Juli 2024 in Kraft getretenen Bauordnungsnovelle möglich ist (Anm.: siehe OIZ 9/2024, Seiten 40 – 42).

OIZ: Das Stichwort Sanierung fiel schon mehrmals. Welche Hemmnisse außer den bereits erwähnten tun sich auf?

PISECKY: Bundes- und landesmäßig gibt es gerade großzügige Förderungen. Weil das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) auf freiwilliges Umrüsten setzt und dahingehend die wohnrechtlichen Begleitmaßnahmen fehlen, wird ein sprunghafter Anstieg der Sanierungen im mehrgeschoßigen Wohnbau dennoch ausbleiben. Denn Mieter müssen Änderungen nur dann dulden, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen. Eine Umrüstung von einer Gasetagenheizung auf Fernwärme stellt nicht zwingend eine wirtschaftliche Optimierung dar. Ergo kann ein einzelner Mieter die Umrüstung eines Gesamthauses verhindern. Vermieter machen dann lieber erst einmal gar nichts oder sind gezwungen, zwei Heizsysteme zu betreiben. Das betrifft auch den sozialen Wohnbau!

OIZ: Wie läuft der Fernwärmeausbau in der Bundeshauptstadt?

PISECKY: Der im Mai präsentierte Wiener Wärmeplan 2040 ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Das, obwohl er sich nicht auf die Gesamtfläche, sondern lediglich auf vier definierte Pilotgebiete bezieht. Wir gehen davon aus, dass die Stadt Wien, die das Thema prioritär behandelt, den Plan laufend erweitert. Alle Gebiete sollen bald wissen, ob und wann sie an die Fernwärme angeschlossen werden können.

OIZ: Welche Aktivitäten treibt die Fachgruppe Wien voran?

PISECKY: Dank der zahlreichen Funktionäre sowie des sehr gut aufgestellten Fachgruppenbüros sind wir in der Interessensvertretung hochaktiv. Um die Mitglieder auf dem Laufenden zu halten, geben wir die OIZ heraus, verschicken Newsletter und sind auf LinkedIn, Facebook sowie Instagram präsent. Mit der Verleihung des Immobilien-Awards IMMY an alle drei Berufsgruppen leisten wir wertvolle Imagearbeit und berichten darüber auf www.IMMY.at. Dort auf unserer Website befindet sich neben Immobilienwissen für Konsumenten eine Personalsuchfunktion und es werden die relevanten karriere.at-Stelleninserate durchgeschalten. Die Fachgruppe Wien bietet außerdem ein kostenloses E-Learning-Tool zur Vorbereitung für den Einstieg in Immobilienberufsfelder und zeigt in Schulen mit Übungsfirmen Flagge.

OIZ: Die Fachgruppe Wien richtet nächstes Jahr den Bundestag der Immobilienwirtschaft aus, richtig?

PISECKY: Ja, er findet im September 2025 statt. Es wird der fünfzigste Bundestag. Wir feiern also ein Jubiläum.

OIZ: Davor, nämlich im März 2025, steht die Wirtschaftskammer-Wahl auf der Agenda. Stehen Sie wieder zur Verfügung?

PISECKY: Ja, ich kandidiere, weil es noch einiges zu erledigen gibt, worauf ich mich freue. In der kommenden Periode werde ich jedoch den Generationenwechsel auf Funktionärsseite einleiten. Die Vorbereitungen dafür sind schon im Laufen.

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