So lange ist es noch nicht her, dass Immobilienmakler Bieterverfahren durchführen dürfen. Möglich geworden ist es mit einer Gesetzesänderung vor etwas mehr als zehn Jahren. Mit den vom Alltäglichen abweichenden Verkaufsbedingungen und der eigenen Form der Abwicklung haben sich etliche Makler trotzdem noch nicht vertraut gemacht. Als Gründe, warum Bieterverfahren bislang eher links liegen gelassen wurden, wird laut Brancheninsidern der erhöhte Aufwand und die mangelnde Transparenz ins Treffen geführt.
Bei Re/Max Österreich hat man trotz allem immer schon den Nutzen darin gesehen. Dort werden über tausend solcher Verfahren per anno abgewickelt. Wegen des Stellenwerts hat man vor vier Jahren begonnen, den Prozess zu digitalisieren. Vor dem Ausrollen des digitalen Bieterverfahrens wurde gemeinsam mit einem Entwicklungspartner die Art und Weise, wie das konkret geschehen soll, in einer ausführlichen Testphase ermittelt. Ein deutsches Start-Up lieferte die Technologie und bei Re/Max wusste man laut Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer einzubringen, was der Markt verlangt. „Man brauchte früher immer beide Seiten für jedes einzelne Kaufanbot, was zeitintensiv war“, nennt Reikersdorfer die wesentlichste Änderung mit der Digitalisierung. Mit dem Verfahren, das Re/Max unter dem Namen „Dave“ vermarktet, sei es bei der Abwicklung egal, ob nur eine Handvoll Gebote eintrudeln oder vielleicht fünfzig. Dass bei einem Bieterverfahren möglichst viele Gebote eingehen sollen, versteht sich von selbst.
Im Vorfeld Massenbesichtigungen abzuhalten, ist nicht in jeder Hinsicht optimal. Bei Re/Max bietet man mit der digitalen Terminbuchung eine Alternative an. Dabei werden Personen im Halbstundentakt einzeln durch das Objekt geführt. Vier Wochen wird besichtigt und auf zwei bis drei Wochen sei die Gebotsphase beschränkt. Für die Teilnahme wird ein Link separat verschickt. „Alle Unterlagen stehen dann zur Verfügung und das Gebot kann in aller Ruhe und ortsunabhängig abgegeben werden“, sieht Reikersdorfer Vorteile im Sinne der Kaufkunden. Der Makler sei im digitalen Verfahren gleichzeitig von den Vorwürfen der unsauberen Auswahl oder inkorrekten Abwicklung befreit. Die Transparenz hört jedoch dort auf, wo nicht der Meistbietende das Objekt bekommt. Kreditwürdigere Personen oder sonst jemanden zu bevorzugen, ist theoretisch möglich. Das – und da sind sich die Branchenteilnehmer einig – stünde dem Verkäufer zu und genau genommen müsse von ihm keines der Anbote akzeptiert werden. Die Unverbindlichkeit auf dieser Seite stünde allerdings der vollen Gültigkeit abgegebener Gebote gegenüber.
Digitale Bieterverfahren werden gerne für die Preisfindung genutzt. „Beim geschlossenen Angebotsverfahren operiert man ohne volle Einsicht“, sagt Reikersdorfer. Die Rückmeldung vom Markt sei damit eindeutig. Beim „offenen Verfahren“ herrscht hingegen zu jeder Zeit Transparenz über das aktuell höchste Gebot. Bernhard Reikersdorfer macht den Nutzen dieses Verfahrens von der Attraktivität eines Objektes abhängig: „Hier sollte die Nachfrage entsprechend hoch sein.“ In Echtzeit werden die Gebote online gelegt. Der Stand der Dinge kann so immer eingesehen werden. Rechtlich gesehen handelt es sich aber nicht um eine Auktion, sondern um ein Feilbieten mit Vertragsfreiheit für den Verkäufer. Am Ende gibt es beim Online-Verfahren häufig eine Nachfrist für Gebote, wobei sich die fallweise sogar mit einem neuen Höchstgebot erneuert.
Die Finanzierbarkeit der Kaufoption wird in der Regel von jedem, der mitmacht, eigenverantwortlich bestätigt oder auch mit Beleg vom Kreditinstitut. Bei der Raiffeisen Immobilien Vermittlung (RIV) nutzt man das offene digitale Bieterverfahren ebenfalls bereits. Geschäftsführer Peter Weinberger beschreibt einen typischen Anwendungsfall: „Bei sanierbaren Objekten ist die Einschätzung des Marktwertes oft schwierig“. In der offiziellen Bewertung, die man grundsätzlich voraus gehen lässt, sei man methodisch gebunden. Preisabschläge würden jedoch mitunter vom Markt kompensiert. Allein deswegen könne sich ein Angebotspreis im Lauf eines Bieterverfahrens hinaufbewegen. „Es geht darum, gleichzeitig mit einem Käufer den korrekten Preis zu finden“, sagt Weinberger.
Bei der RIV hat man das digitale Bieterverfahren vom heimischen Start-Up Easy Immo Solutions integriert. Der Anbieter der mit dem Produkt „Immo-billie“ bekannt geworden ist, unterstützt über Softwarelizenzen große Verbundmakler. Für dessen Geschäftsführer Joachim Klein sind der Verkauf und die Preisbildung eine emotionale Sache: „Am Ende geht es nicht darum, was ein Verkäufer sich vorstellt oder was eine Bewertung sagt, sondern was jemand bereit ist zu zahlen.“ Genau darin liege aber die Stärke digitaler Bieterverfahren. 300 Objekte hätte man in den zwei Jahren, in denen man am Markt aktiv ist, derart verkauft. Der Endpreis läge im Schnitt um 20 Prozent über dem Zielpreis. Ob bei Bieterverfahren tatsächlich nicht eher mit einem Mindestpreis operiert wird, sei dahingestellt. So oder so konnte man bei der Easy Immo Solutions mittlerweile 180 Kunden von „Immo-billie“ überzeugen. Klein nennt den Grund für den Markterfolg: „Wir haben einen Weg gefunden, die Prozesskette in einem Zug einfach und simpel technologisch abzubilden.“ Man könne als Anwender immer in der Struktur bleiben und beispielsweise sei ein etwaiges Nachreichen von Infos zum Objekt über die Sammelnachricht unproblematisch. Was die mitzuliefernden Objektinfos betrifft, sieht RIV-Geschäftsführer Peter Weinberger keinen Unterschied zum regulären Verkauf: „Der Aufwand ist ident, aber nicht größer.“ Nicht jeder Abgeber wolle so ein Verfahren zwar, jedoch beim Vermittler Raiffeisen selbst lässt man sich die Option für ihre Mandate grundsätzlich offen.
Vom Einsatz des digitalen Verfahrens nur für Einzelfälle will Klein aber nichts wissen und verweist auf die bisherigen Verkäufe in allen Preissegmenten sowie in Kategorien bis hin zum Zinshaus. Grundsätzlich würde der unternehmerische Druck beim Makeln nicht weniger werden. Die Einführung seines digitalen Tools erfordere im Maklerbüro daher aktuell eine strategische Weichenstellung: „Trotz momentaner Umstellung ist Digitalisierung langfristig eine Möglichkeit, die eigenen Ressourcen zu schonen.“
Für Joachim Klein haben die Maklerunternehmen im Verfahren aber weiter das Steuer in der Hand: „Jeder Verkauf ist einzigartig und die Makler sind auch frei in der Wahl der Mittel, etwa was die Angebotsdauer betrifft.“ Ein paar Dinge scheinen beim digitalen Bieterverfahren noch optimierbar. Angesichts der Preisrally ist bei den Listungen der Suchfokus abhanden gekommen. Weil man von Angebot zu Angebot auch über Bundesländergrenzen springt, fehlt eine Selektion nach Mikrolage. Mit der Auflösung der Gebietskategorien wäre das wichtig, damit Kaufinteressierte es nur mit passenden Objekten mit den von ihnen gewünschten Standortqualitäten zu tun bekommen. Aufklärungsarbeit bei den Kaufinteressenten zum digitalen Bieterverfahren ist ebenfalls noch von Nöten. Es wird nämlich fallweise von Bestbietern berichtet, die ihr eigenes Gebot im Nachhinein nicht als bindend gesehen haben.