Die „Kunst“ der Sachbeschädigung

Die früher als verpönt geltenden „chemischen“ Graffitientferner sind mittlerweile so weit entwickelt worden, dass einige sogar bis zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind.
Die „Kunst“ der Sachbeschädigung
© IMMY

Die Frage, ob ein Graffiti Kunst ist oder nicht, ist rechtlich unerheblich. Wer ohne Erlaubnis des Eigentümers Wände bemalt, begeht Sachbeschädigung. Auch Eingangs- und Garagentore, U-Bahnen, S-Bahn-Wagons, Verkehrsschilder, Werbetafeln und Verteilerkästen bis hin zu Postkästen sind bekanntlich beliebte Objekte für Sprayer. Dadurch entstehen für die Eigentümer oder Betreiber wie auch für die Öffentliche Hand große finanzielle Schäden. Die Kosten für die Entfernung hat der Täter zu tragen – wenn man ihn erwischt. Denn das ist gerade bei Sprayern oft nicht der Fall. Also zahlt der Eigentümer selbst.

„Die Kosten für eine Graffitientfernung richten sich einerseits nach der flächenmäßigen Größe des Graffitis, andererseits auch nach der Beschaffenheit des Untergrunds und einer möglichen Imprägnierung nach einer professionellen Reinigung“, weiß Wolfgang Erdhart, Bereichsleitung Hausbetreuung bei Attensam. Daher würden Kostenvoranschläge individuell erstellt.

„Dabei haben die Eigentümer bis vor wenigen Jahren die einzige Möglichkeit, Graffiti zu beseitigen, darin gesehen, sie zu überstreichen. Wobei es keine Rolle gespielt hat, ob es eine 200 Jahre alte Hausfassade aus Naturstein unter Denkmalschutz, eine Klinkerfassade oder ein Neubau aus Sichtbeton war“, sagt Udo Ernst, Gesellschafter und Geschäftsführer der Steinreiniger Rhein-Main GmbH, der für die Guard KG (Graffiti-Guard) europaweit Schulungen und Beratungen durchführt – unter anderem auch als Vortragender der Kurse „Graffitientfernung“ in der Wiener Gebäudereinigungsakademie. Die Problematik des Überstreichens liege aber klar auf der Hand – oder, besser, auf dem Untergrund: Bei jedem Überstreichen werde eine neue Schicht aufgebaut, die dem Untergrund die „Luft“ zum Atmen nehme. Viele der genannten Untergründe würden durch einen zunehmenden Schichtaufbau massiv, durch verminderte Diffusion und daraus resultierende Feuchtigkeitsschäden langfristig geschädigt.

Des Weiteren, so Ernst, würden viele „Farbanpassungen“ hinsichtlich der Untergrundfarbe so mangelhaft ausgeführt, dass sich auf vielen Hausfassaden „Schachbrettmuster“ oder „Bauchbinden“, sprich unterschiedliche Farbbereiche abbildeten und die Fassaden oft mit Graffiti sogar noch ansehnlicher gewesen wären. Heute würden Graffiti durch ein langjährig entwickeltes Anti-Graffiti-System substanzschonend vom Untergrund entfernt. Die früher als verpönt geltenden „chemischen“ Graffitientferner (Reiniger) seien in den letzten Jahren so weit entwickelt worden, dass sie bedenkenlos in das öffentliche Abwasser eingeleitet werden könnten. Einige der auf dem Markt erhältlichen Graffitientferner seien sogar bis zu 100 Prozent biologisch abbaubar. 

Chemische Reiniger effizienter als Strahltechniken

Andere, nicht chemische Möglichkeiten und Techniken, Graffiti von Untergründen zu entfernen, basieren meist auf abrasiven Techniken: „Sandstrahlen, Unterdruckstahlen, Microstrahlen, JOS-Strahltechnik, Trockeneisstrahlen und viele weitere Strahltechniken“, erklärt der Experte. Diese hätten bestimmt auch ihre Daseinsberechtigung, doch bei der Graffitientfernung würden diese Strahltechniken an ihre Grenzen stoßen. Und das sei auch einfach zu erklären: Alle Strahltechniken wirkten an der Oberfläche. Das heißt, Farben, die auf der Oberfläche aufliegen, könnten mit diesen Strahltechniken gut entfernt werden. Aber: „Farben sind flüssig, wenn sie auf der Oberfläche aufkommen, seien es Sprühfarben oder Tinten. Hat man nun einen porösen, saugenden Untergrund, dringen die Farben 3 bis 5 mm in den Untergrund ein und können dann durch abrasive Strahltechniken nur noch mit Schäden am Untergrund entfernt werden, da die Strahlmittel sich in die Tiefe von 3 bis 5 mm vorarbeiten müssen und den Untergrund dadurch zerstören.“ Um diese Schäden zu vermeiden, stünden heute moderne, umweltbewusste chemische Reinigungssysteme zur Verfügung, die auch vom internationalen Denkmalschutz empfohlen würden.

Einen weiteren wichtigen Aspekt bringt Thomas Jäger, CEO der Jäger Hausbetreuung, in die Thematik ein: „Immobilien, die bereits mit Graffitis besprüht worden sind, sind auch anfälliger für erneute Sprühattacken. Daher ist es immer ratsam, Graffitis möglichst rasch entfernen zu lassen und damit zu signalisieren, dass das Graffiti hier nicht lange bestehen bleibt.“

Zu den Kosten für die Graffitientfernung kann auch Jäger keinen Pauschalpreis nennen. Nur so viel: Die anfallenden Kosten für das Überstreichen des Graffitis seien in etwa gleich hoch wie jene für eine Graffitientfernung mittels Reinigung. Sowohl bei der Fassadenreinigung als auch bei der Graffitientfernung müsse man jedoch mit höheren Kosten als bei einer einfachen Unterhaltsreinigung rechnen, denn es komme hier ein eigens geschultes Team zum Einsatz, das mit spezieller technischer Ausrüstung und Sonderreinigungsmitteln arbeite.

Fachkundige Beratung empfehlenswert

Vorbeugung ist bei dieser Problematik naturgemäß nur eingeschränkt möglich. Bei Neubauten, bei denen man von einer Gefährdung durch Graffiti ausgehen kann, können schon die Baustoffe entsprechend „reinigungsfreundlich“ ausgewählt werden. Bei Bestandsgebäuden können Graffiti-Schutz-Konzepte erarbeitet werden. Spezialist Udo Ernst: „Dabei sollte man die Gegebenheiten hinsichtlich der Untergründe genau betrachten.“ Es gebe sehr viele Graffiti-Schutz-Systeme und -Produkte auf dem Markt, aber nur die wenigsten machten Sinn bzw. würden für den betreffenden Untergrund richtig eingesetzt. Wichtig sei auch die anschließende Pflege und Reinigung, dies werde sehr oft bei der Planung vergessen.

Udo Ernst zu den Kosten: „Abhängig von Untergrund (beschichtet / unbeschichtet) bzw. Farbmittel liegen die Kosten für die Graffitientfernung zwischen 20 und 30 Euro pro Quadratmeter. Für den Graffitischutz, je nach Schutzsystem, zwischen 15 und 50 Euro pro Quadratmeter.“ Generell sei zu sagen, „dass mit diesen Aufgaben Fachfirmen beauftragt werden sollten.“ In der Branche gebe es leider sehr viele schwarze Schafe, die keine Ahnung hätten. Der Schaden sei danach um ein vieles höher.