Mit der Umsetzung von Basel IV wird sich ab dem 1. Jänner 2025 in der Immobilienfinanzierung einiges ändern. „Die Aufseher wollten eine ,risikosensitivere’ Berechnung der Risikogewichte erreichen; weg von dem ‚one size fits all‘-Ansatz, der jeglicher Finanzierung von Wohnimmobilien ein Risikogewicht von 35 Prozent zugeschrieben hat“, sagt Martin Clemens Weber, Leiter der Stabstelle Immobilien in der Erste Bank der Österreichischen Sparkassen AG. Das wurde durch folgende, von Weber hier angerissene Unterscheidungen umgesetzt:
Erstens wird künftig unterschieden, ob eine Immobilie bereits baulich fertiggestellt ist – dann ist das Risiko geringer –, oder ob sie noch in der „ADC-Phase“ (Acquisition, Development, Construction) ist, in welcher die Risikogewichte empfindlich erhöht werden; von den erwähnten 35 Prozent aktuell auf 150 Prozent. Es gebe eine „Privilegierung“, wo das Risikogewicht „nur“ hundert Prozent ausmache, so Weber. Sofern man bei einer Verdreifachung der aktuellen Risikogewichte, auch noch an schwer zu erfüllende Kriterien geknüpft, von „nur“ und „Privilegierung“ sprechen könne. Webers Zwischenfazit: „Finanzierungen für einen Grundstücksankauf beziehungsweise die reine Baufinanzierung werden sich deutlich verteuern.“
Zweitens wird künftig unterschieden, ob der Kreditnehmer auch andere Einkommensquellen zur Rückzahlung des Kredits hat oder ob er den Kredit allein aus den Einkünften der finanzierten Immobilie – aus dem Verkauf der errichteten Wohnungen oder aus langfristiger Vermietung – rückführen wird. Hier gibt es eine Privilegierung für jene Kreditnehmer, die auch andere Quellen haben, „in der Regel nur Privatpersonen, die Einkünfte aus selbstständiger oder unselbständiger Arbeit haben, oder in Einzelfällen Mischunternehmern. Der weit überwiegende Teil an Immobilienentwicklern führt aber den Kredit aus dem Verkauf beziehungsweise der Vermietung der finanzierten Immobilie zurück, sodass die Immobilie als „Income-producing real estate“ grundsätzlich ab einer Beleihungsquote von sechzig Prozent – das heißt, das Verhältnis von aufgenommener Finanzierung zum Wert der Immobilie nach Fertigstellung ist sechzig Prozent oder höher – ein höheres Risikogewicht als die aktuellen 35 Prozent erhalten wird.
Er, Weber, sage hier bewusst „grundsätzlich“, weil man aktuell in Österreich die Möglichkeit habe, beide hier beschriebenen Arten von Immobilien gleich zu behandeln. Das hänge von der „Qualität“ des heimischen Immobilienfinanzierungsmarktes ab, der einmal jährlich von der FMA in der „Offenlegung zur Einhaltung der Höchstverlustraten“ bekanntgegeben werde. Dabei stelle, verkürzt gesagt, die Aufsicht fest, „dass die Abschreibungen der Banken für Immobilienfinanzierungen einen bestimmten Prozentsatz am Gesamtportfolio an aushaftenden Immobilienfinanzierungen nicht übersteigen.“ Solange das der Fall sei, könnten die Banken unter Basel IV das so genannte „Loan Splitting“ durchführen. Das heiße: bis zu 55 Prozent des Immobilienwertes betrage das Risikogewicht nur zwanzig Prozent. Für den übersteigenden Wert gelte ein je nach Kreditnehmer unterschiedliches Risikogewicht, das sich aber zwischen 75 und hundert Prozent bewege. „Hier“, so Weber, „werden in vielen Fällen ähnliche Werte herauskommen, wie wir sie aktuell mit den 35 Prozent haben.“ Großes Aber: Das betreffe nur Immobilien, die fertiggestellt sind, also im Grunde die Finanzierung von bestehenden Gebäuden; nicht aber die Neubaufinanzierung.
Drittens wird die Bewertung und tourliche Wiederbewertung von Immobilien neu geregelt. Die Neuerung betrifft hier in erster Linie die Wiederbewertung und bedeutet, dass man nicht über den Wert aus der Erstbewertung beziehungsweise über den Durchschnittswert der letzten sechs Jahre hinausgehen darf (genommen wird der jeweils höhere Wert). Damit soll eine Glättung der Schätzwerte erreicht werden – als Learning aus den steilen Aufwertungen der letzten Jahre.
Viertens schreibt Basel IV eine explizite Berücksichtigung von ESG-Effekten auf die finanzierte Immobilie vor. Insbesondere müssen Szenarien berücksichtigt werden, die den Wert der Immobilie negativ beeinflussen, wie etwa ein aufgestauter Investitionsbedarf aus einer CO2-intensiven Heizung, ein schlecht gedämmtes Gebäude oder eine gefährdete Zone, die ein hohes Hochwasser-, Hitze- oder Murenrisiko aufweist; und das nicht nur zu aktuellen Bedingungen, sondern auch zu den Bedingungen, die sich während der Laufzeit der Finanzierung verändern können. Umgekehrt muss eine Verbesserung in der Immobilienbewertung berücksichtigt werden, wenn eine Investition etwa eine Heizanlage mit geringerem CO2-Ausstoß oder eine thermische Sanierung der Immobilie betrifft.
Die European Banking Authority (EBA) machte eine Auswirkungsanalyse der Basel IV-Normen. Kernaussage war, dass – über alle Banken und Kreditsegmente gerechnet – das Säule-1-Eigenkapital um 16,3 Prozent steigen wird. „Hieraus kann man aber nicht ableiten, dass zum Beispiel eine Finanzierung, die jetzt einen Zinssatz von 3,5 Prozent aufweist, ab dem 1. Jänner 2025 einen Zinssatz von 4,1 Prozent aufweisen wird“, sagt Weber. „Das zum einen, weil ja die Standardrisikokosten nur einen Teil der Marge ausmachen, die Änderung also nicht zu hundert Prozent durchschlägt. Zum anderen, weil die Auswirkungen von Kredit zu Kredit, wie oben angeführt, sehr unterschiedlich sein werden.“ Das dritte Aber betreffe eine Unterscheidung nach den Methoden, wie die Banken ihre Risikogewichte berechnen: „Die meisten Banken verwenden dafür den ,Standardansatz’. Für diese gelten die Regelungen wie vorher beschrieben. Daneben gibt es Banken – die ganz großen, weil es ein sehr aufwändiger Prozess ist –, die ihre Risikogewichte nach dem IRB-Ansatz berechnen, dem sogenannten „Internal Ratings Based-Ansatz“. Kurz gesagt, werde hier nicht mit statistischen Ausfallswahrscheinlichkeiten für bestimmte Geschäftsarten gearbeitet, sondern mit echten Ausfallszahlen aus der Vergangenheit. Für diese Institute gebe es in den Basel IV-Regeln eine Annäherung an den Standard-Ansatz. „Aber die ersten Modellierungen zeigen, dass die Auswirkungen von Basel IV auf Immobilienfinanzierungen für diese IRB-Banken geringer sein dürften als für die Standardansatz-Banken“, so Weber abschließend.