Seit etwa eineinhalb Jahren plagen Bauherrn, Planer und Bauunternehmen die gleichen Sorgen: Es gibt einen eklatanten Fachkräftemangel, die Preise für Baumaterialien und Baustoffe steigen in schwindelnde Höhen und bei vielen Produkten, vom Stahl bis zu den Fenstern, bestehen Lieferschwierigkeiten. Durch die Gaskrise wurde die Situation noch verschärft. Die Folgen sind heftige Auseinandersetzungen über die Frage, wer die höheren Preise tragen soll, und beträchtliche Verzögerungen im Bauprozess.
In solchen Zeiten schlägt die Stunde der Projektmanager. Sie haben zwar kein Wundermittel zur Hand: „Aber wir können mit unseren Erfahrungen und unserem Wissen projektspezifische Lösungen erarbeiten, um die mit diesen Herausforderungen verbundenen Risken zu minimieren“, betont Gerald Herndlhofer, Geschäftsführer von Drees & Sommer Österreich, einem der großen europäischen Beratungs-, Planungs- und Projektmanagement-Unternehmen.
Eine mögliche Maßnahme könnte etwa die frühzeitige Einbindung der Ausführenden in den Planungsprozess sein. „Bauunternehmen haben einen wesentlich tieferen Einblick in die Materialbeschaffung und viele Ideen, um ein Projekt unter den derzeitigen Umständen zu optimieren“, erläutert Herndlhofer. Möglichkeiten wären etwa der Einsatz alternativer, aber lieferbarer Materialien oder eine Anpassung des Terminplans: „Es sollte auch über die Frage gesprochen werden, ob es sinnvoll ist, ein Projekt zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt zu realisieren.“
Die frühzeitige Zusammenarbeit von Planenden und Ausführenden ist auch für Rainer Stempkowski, Geschäftsführer der gleichnamigen Baumanagement und Bauwirtschaft Consulting GmbH, ein probates Mittel, die anstehenden Probleme zu lösen: „Wenn Materialien eine Lieferzeit von ein bis zwei Jahren haben, muss über alternative Systeme nachgedacht und in die Planung eingegriffen werden“, meint der Experte. Sich hinter Verträgen zu verschanzen helfe nichts: „Bauherr, Planer und Baufirma müssen offen miteinander kommunizieren.“ Wenn man ein gemeinsames Projektziel im Kopf habe, dann finde man eine Lösung, ist Stempkowski überzeugt.
Das Miteinander schaffe eine Win-win-Situation mit Vorteilen für alle Beteiligten, betont Herndl-hofer. Erforderlich sei aber ein grundsätzliches Umdenken. Bislang war es am Bau oft so, dass Nachtragsforderungen und Pönale-Zahlungen pekuniäre Vorteile für die eine oder andere Seite brachten. Hier müssten neue vertragliche Lösungen gefunden werden. Partnerschaftsmodelle mit einem Bonus-Malus-System etwa, bei dem Einsparungen belohnt und Risken fair aufgeteilt werden, schaffen ein Miteinander: „Dann steht das Projekt im Vordergrund, in das jeder sein Wissen einbringt“, betont Herndlhofer.
Umgedacht müsse auch bei der Ausschreibung werden. Stempkowski nennt etwa ein mehrstufiges Vergabeverfahren, bei dem von den bewerbenden Baufirmen nach Qualitätskriterien Umsetzungskonzepte ausgearbeitet und im Team präsentiert werden. „Dabei lassen sich wesentliche Dinge erkennen und bewerten“, ist er überzeugt. Natürlich werde auch der Preis berücksichtigt, dieser sei aber nicht mehr das allein entscheidende Kriterium.
Solche Denkweisen seien ein Kulturbruch gegenüber bisherigen Vorgangsweisen, räumt Stempkowski sein. Aber gerade angesichts der aktuellen Herausforde-rungen erkennen immer mehr Bauherrn und Unternehmen die Vorteile solchen Miteinanders. Natürlich müssten dabei ausgeklügelte Verträge optimale rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, betonen die Experten. Und die neue Denkweise müsse sich nicht nur auf der Vorstandsebene des Bauunternehmens, sondern bis hin zum Polier auf der Baustelle durchsetzen, betont Herndlhofer: „Einige Bauherren und Baufirmen setzen bereits auf diese Partnerschaftsmodelle. Wir bekommen vom Markt sehr gute Resonanz.“
Gefordert ist in dieser Situation zudem die Baulogistik. „Just in time“-Belieferung sei bislang das Credo bei der Materialanlieferung gewesen, erzählt Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental Österreich und erfahrener Baulogistiker: „Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, dass beispielsweise der Eisenflechter günstig Stahl im Voraus eingekauft hat und große Mengen auf der Baustelle lagern möchte.“ Dazu fehle oft der Platz. „Mit Lean Construction Management und digitalen Planungstools sehen wir, welches Material wann benötigt wird, was folglich auf der Baustelle, was woanders gelagert werden muss.“
Müller denkt auch über ein Warehouse-System nach, ein Logistikzentrum vor den Toren der Stadt, von dem aus die Materialien „just in time“ umweltfreundlich per Elektro-Lkw auf die Baustelle geliefert werden. „Bei einem Großprojekt in Hamburg haben wir das bereits realisiert.“ Der Ablauf müsse in diesem Fall präzise geplant werden, Voraussetzung dafür sei eine aktive Einbindung der Baulogistik in das Baugeschehen. Auch auf diese Weise ließen sich Kosten senken, ist Müller überzeugt: „Die Optimierung der Baulogistik ist nachweislich ein Weg, um die Produktivität auf der Baustelle zu steigern.“