Die Frage der Finanzierung

Für Mitte 2022 sind strengere Vergabekriterien bei privaten Wohnkrediten angekündigt. Sie beschränken den Ermessensspielraum der Banken weiter.
Die Frage der Finanzierung
© NATEE MEEPIAN

Die Nachfrage nach privaten Wohnimmobilien ist ungebrochen. Die Corona-Pandemie verstärkte den Wunsch nach Eigentum sogar noch. Das spiegelt sich in der Preisentwicklung wider: „Von 2010 bis 2021 stiegen laut der Österreichischen Nationalbank die durchschnittlichen Preise für Wohnungen und Häuser um jährlich 6,3 Prozent“, sagt Wohnbau-Finanz-Experte Jonas Beckers, Geschäftsführung der LBE Finance GmbH und Infina Verbundpartner. Die Art und Weise, wie Herr und Frau Österreicher ihr Eigenheim finanzieren, habe sich im Laufe der letzten Jahre jedoch verändert. Während die meisten vor wenigen Jahren noch einen variablen Zinssatz gewählt hätten, werde heute in den meisten Fällen ein fixer Zinssatz gewünscht. Zumal vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Kredithöhe durch die kletternden Kaufpreise ebenfalls ansteige, so Beckers, „und damit auch das Risiko einer deutlichen Anpassung der monatlichen Rate, falls die kurzfristigen Zinsen wieder steigen.“ Hier setze also mittlerweile ein Großteil der österreichischen Bevölkerung auf Sicherheit, auch wenn der fixe Zins teurer als der variable Zinssatz sei.

„Aufgrund der steigenden Inflation und der von vielen erwarteten Zinsanhebungen der Notenbanken sehen wir, dass die Nachfrage nach fix verzinsten Krediten deutlich ansteigt“, bestätigt Daniela Barco, Vorständin der UniCredit Bank Austria, „Privatkunden“. Vor dem Hintergrund des aktuell bewegten wirtschaftlichen Umfelds seien vor allem lange Fixzinsvereinbarungen nachgefragt – über achtzig Prozent würden derzeit einen Fixzinssatz wählen“, berichtet Kurt Krystof, Leiter wohn² Wien Innere Stadt/Süd der Erste Bank der Österreichischen Sparkasse AG. 

Fixzinsen nach oben angepasst

Basis für die Entwicklung der langfristigen Zinssätze ist die SWAP-Kurve: „Von 2018 bis 2020 sind die SWAP-Zinssätze deutlich gefallen, bis Dezember 2021 gab es dann nur geringere Schwankungen. Seit Beginn dieses Jahres erfahren die Fixzinssätze einen deutlichen Anstieg, den man sowohl durch die hohe Inflation als auch durch den Krieg in der Ukraine erklären kann“, zeichnet Beckers die Entwicklung nach. Die SWAP-Zinssätze seien um circa 1,5 Prozent angestiegen, dementsprechend hätten die Banken darauf reagiert und die Fixzinsen deutlich nach oben angepasst. Bei einem Kreditbetrag von 300.000 Euro mache ein solcher Anstieg eine Erhöhung der monatlichen Rate von 375 Euro aus. Zusätzlich erkenne man am Markt aktuell eine „inverse Zinsstruktur“, das heiße: „Die Zinsen für kürzere Fixzinssätze sind nicht mehr günstiger, sondern gegebenenfalls sogar etwas höher als für längere Fixzinssätze. Aus diesem Grund sichern sich viele Verbraucher den Zinssatz aktuell nicht nur für die bis dato klassischen zehn oder 15 Jahre, sondern nehmen durchaus das Angebot einiger Bankpartner in Anspruch, den Zins für einen noch längeren Zeitraum zu sichern.“ Vergleiche man allerdings die Fixzinssätze mit solchen, die vor einigen Jahren am Markt üblich gewesen seien, lasse sich feststellen, dass die Zinsen in den letzten Wochen zwar gestiegen seien, es aber immer noch sehr günstige Fixzinssätze für sehr lange Zeiträume gebe, so Beckers. Und diese böten Verbrauchern die außergewöhnliche Möglichkeit, zu attraktiven Preisen die Sicherheit zu erhalten, die sie sich aufgrund der gestiegenen Kaufpreise wünschten.

„Sehr gefragt sind vor allem unsere Fixzinsfinanzierungen über bis zu dreißig Jahre“, sagt Alexander Stegbauer, Leiter „Raiffeisen Wien. Meine Stadtbank“. Man gebe damit Planbarkeit und Sicherheit, weil man immer, selbst im Falle einer Zinserhöhung, genau wisse, wie hoch die monatliche Belastung ausfalle. Daran habe sich bei der Stadtbank trotz der herausfordernden Wirtschaftslage nichts geändert. Entscheidend beim Kauf einer Immobilie sei die nachhaltige Leistbarkeit: „Wir erstellen daher mit all unseren Kundinnen und Kunden einen detaillierten Haushalts- und Zukunftsplan, um sorgenfrei durch die Kreditlaufzeit zu kommen und den Traum vom Eigenheim genießen zu können.“ Er, Stegbauer, gehe auch 2022 von einer starken Nachfrage im Wohnbaufinanzierungsgeschäft aus, gelte der Kauf einer Immobilie doch als Schlüsselfaktor für den Aufbau von Wohlstand. 

Strengere Vergabekriterien ab Mitte 2022

„Die neuen Vorgaben der Finanzmarktaufsicht (FMA) – zwanzig Prozent Eigenmittelanteil und maximal vierzig Prozent Anteil der Kreditrate am verfügbaren Gesamteinkommen – sollten für uns und unsere Kundinnen und Kunden jedenfalls keine Auswirkungen haben“, spricht Stegbauer die Tatsache an, dass in Österreich ab Mitte 2022 mit strengeren Vergabekriterien bei Wohnkrediten zu rechnen ist. Diese sind nach Auffassung der FMA nicht streng genug: Einer von zehn Krediten habe eine Laufzeit von mehr als 35 Jahren und bei zwei von zehn Immobilienfinanzierungen betrage die monatliche Rate mehr als vierzig Prozent des verfügbaren Netto-Familieneinkommens. Zudem liege bei sechzig Prozent aller Kredite der Eigenmittelanteil unter zwanzig Prozent. Dieser Entwicklung will die FMA gegensteuern.

Womit ist hier konkret zu rechnen? Wohnbau-Finanz-Experte Jonas Beckers: „Zum jetzigen Zeitpunkt steht eben im Raum, dass ein Eigenmittelanteil von mindestens zwanzig Prozent und eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren als Mindeststandard festgelegt werden sollte. Darüber hinaus soll die maximale Schuldentilgungsquote (DSTI) nur mehr zwischen dreißig bis vierzig Prozent des monatlichen Haushaltsnettoeinkommen liegen.“ Man könne also davon ausgehen, dass sich die Kreditaufnahme für einige Verbraucher, die sich Eigentum zulegen möchten, ab diesem Zeitpunkt schwieriger gestalten werde. Von welchem Betrag die zwanzig Prozent Eigenmittel kalkuliert würden, sei noch nicht festgelegt. Er halte es für möglich, „dass sie vom Kaufpreis berechnet werden, es könnte aber auch sein, dass als Berechnungsgrundlage zusätzlich zum Kaufpreis noch die Kauf- und gegebenenfalls die Kreditnebenkosten herangezogen werden.“ Hierzu, so Beckers, werde es hoffentlich zeitnah genauere Informationen geben. „Ob es eine andere Kalkulationsbasis geben wird, wenn der Schätzwert der Bank und der Kaufpreis unterschiedlich ausfallen, wurde ebenfalls noch nicht bekannt gegeben.“

Aufgrund dieser Verschärfungen der Vergabekriterien ist jedenfalls damit zu rechnen, dass der Erwerb von Eigentum beziehungsweise die Finanzierung dieses Erwerbs durch einen Wohnkredit schwieriger wird. „Die neuen Richtlinien bedeuten, dass für Banken der Ermessensspielraum, auf individuelle Kundensituationen eingehen zu können, weiter beschränkt wird“, gibt Kurt Krystof, Erste Bank, zu bedenken. „Daher werden wir, um Kunden weiterhin Eigentum zu ermöglichen, den Fokus auf Vermögensaufbau in jungen Jahren richten, damit sie sich die von der FMA verlangten zwanzig Prozent Eigenmittel rechtzeitig ansparen können.“ Da gemäß der Vorgaben der ermittelte Schätzwert der Immobilie als Basis zur Berechnung der Beleihungsquote diene, seien bei Abweichungen zwischen Schätzwert und Kaufpreis im Einzelfall auch höhere Eigenmittel notwendig. 

Erschwerter Zugang zu einem Wohnkredit

„Durch die steigenden Kaufpreise sind auch die Kaufnebenkosten in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Und die Erbringung dieser Gebühren aus Eigenmitteln ist bei jeder Bank die Grundvoraussetzung für einen Immobilienkredit. Es sei denn, die Bank erhält weitere Sicherheiten“, ergänzt Wohnbau-Finanz-Experte Beckers. Zusätzlich hätten in den letzten Jahren bereits viele Banken für die Vergabe eines Wohnkredits weiteres Eigenkapital gefordert, um damit neben den Kaufnebenkosten zehn bis zwanzig Prozent des Kaufpreises zu übernehmen. Dass diese Vorgehensweise nun bei allen Banken zum Standard werden solle, werde wohl einigen Verbrauchern den Zugang zu einem Wohnkredit erschweren.

Gleiches, so Beckers, gelte für die Höhe der monatlichen Kreditrate: Schon immer habe es die Faustformel gegeben, dass die Kreditrate ein Drittel des monatlichen Einkommens nicht übersteigen solle. Viele Banken hätten aber auch höhere Raten zugelassen, wenn es der Haushaltsplan der Kreditnehmer zugelassen habe. Die Anpassung auf dreißig bis maximal vierzig Prozent des monatlichen Nettoeinkommens werde bei einigen Verbrauchern dazu führen, dass sie sich nur noch einen geringeren Kreditbetrag über die geplante Laufzeit leisten könnten. Eine Alternative könnte sein, eine weitere Person als Kreditnehmer einzubeziehen, um das verfügbare Einkommen – und damit den Kreditbetrag – zu erhöhen. Denn eine Verlängerung der Kreditlaufzeit sei dann gegebenenfalls durch die Beschränkung der maximalen Kreditlaufzeit auf dreißig bis 35 Jahre ebenfalls nicht mehr möglich. Wobei festzuhalten sei, „dass viele Banken bereits jetzt maximal diese Kreditlaufzeit anbieten.“ Festhalten will Beckers aber auch: „Trotz der angekündigten Verschärfungen wird es immer noch attraktive Finanzierungsmöglichkeiten am Markt geben. Manche Banken stellen bereits in den Raum, eine alternative Form der Eigenkapitalbeschaffung anzubieten. Dies könnte über einen zinsgünstigen Privatkredit möglich sein.“

Daniela Barco, UniCredit Bank Austria, fasst zusammen: „Das wesentliche Kriterium der Immobilienkreditvergabe in der UniCredit Bank Austria ist bereits jetzt die Leistbarkeit im Rahmen einer umfangreichen Haushaltsrechnung. Generell ist es für Kreditsuchende wichtig, gegenüber dem Kreditinstitut frei verfügbare regelmäßige Einkünfte, einen entsprechenden Eigenmittelanteil, ein passende Verschuldensquote und eine adäquate Besicherung darzustellen. Somit sind wir gut vorbereitet auf die Vorgaben der Finanzmarktaufsicht, die noch veröffentlicht werden müssen.“